Diagnosekriterien für primäre Insomnien
- vorherrschende Beschwerde: Einschlaf- oder Durchschlafstörungen oder nicht erholsamen Schlaf für mind. einen Monat
- klinisch sign. Leiden oder Beeinträchtigung in soz., berufl. oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Differenzialdiagnostische Aspekte:
- nicht ausschliesslich auf Narkolepsie, atmungsgebundene Schlafstörung, Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus oder Parasomnie
- nicht primär auf psychiatrische Erkrankung zurückzuführen
- nicht direkt auf die Wirkung einer Substanz oder eine medizinische Erkrankung zurückzuführen
- Insomnien bei psychischen Störungen:
– Depression (Schlafkontinuität stark beeinträchtigt, Tiefschlafreduktion, REM-Schlafinhibition, teils Hypersomnie)
Depression kann sowohl Ursache für SS sein als auch die SS (wenn chronifiziert oder nicht adäquat bewältigt) zu Depressivität bis hin zur klinischen Depression; daher ist eine frühzeitige Behandlung zur Prävention von psych. Folgeerkrankungen geboten, da selbst die Folgeerkrankung persistieren kann.
– Angststörungen (Schlafkontinuität leicht beeinträchtigt)
– Alkoholismus (Schlafkontinuität leicht beeinträchtigt, Tiefschlafreduktion)
– Borderline-Störung (Schlafkontinuität leicht beeinträchtigt)
– Dementielle Erkrankungen (Schlafkontinuität stark beeinträchtigt, Tiefschlafreduktion)
– Essstörungen (Schlafkontinuität leicht beeinträchtigt)
– Schizophrenie (Schlafkontinuität stark beeinträchtigt)
- Insomnien bei organischen Störungen:
wichtige Krankheitsbilder, die die Schlafqualität stören können:
Beeinträchtigungen sind auf mehreren Ebenen vorstellbar:
§ Substanzinduzierte Schlafstörungen
Viele der zentral wirksamen Substanzen provoziert als Nebenwirkung Symptome einer Insomnie.
Differenziert werden muss, ob die begleitende Insomnie Folge eines akuten oder chronischen Substanzmissbrauchs ist. Absetzversuche können als Therapie und Diagnostisches Hilfsmittel angewandt sind.
§ Nicht-organische / primäre Insomnien
Psychophysiologisches Bedingungsmodell (multifaktoriell) Þ Insomnien sind bedingt durch:
Grübeln, Sorgen um den Schlaf, Mythen, negative Attributionen auf die Schlafstörung
Ärger und Wut über die Schlafstörung, Furcht vor den Konsequenzen der Schlafstörung
z.B. motorische Anspannung, Herzklopfen
Fokussierung der Aufmerksamkeit auf den Schlaf, Überschätzung der Einschlaf- und Wachliegedauer, Unterschätzung der Schlafdauer
langfristige Medikamenteneinnahme mit Absetzversuchen und Reboundinsomnie, Einsatz von Alkohol als Schlafmittel
lange Bettzeiten, langes Wachliegen im Bett, unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, Tagesschlaf
Müdigkeit, Erschöpftheit, sinkende Stimmung, Verminderung in Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, Einschränkung sozialer Aktivitäten
Epidemiologie
Insomnien sind sehr häufig (15-35%)
Verlauf und Prognose
Komorbidität
Hohe Komorbidität mit organischen bzw. psych. Störungen und Substanzmissbrauch; deshalb vor jeder Behandlung im diagnostischen Prozess insbesondere organische bzw. psychische Störungen abklären.
Diagnostische Verfahren
Störungstheorien und Modelle der primären Insomnie
Aktivierung “Hyperarousal” (emotional, kognitiv, physiologisch, motorisch) => Schlafbehindernde Kognitionen (Ärger über Schlaflosigkeit, Grübeln über Konsequenzen, unrealistische Erwartungen, Missattribution) => dysfunktionale Schlafgewohnheiten (lange Bettzeit, unregelmäßiger Rhythmus, Tagschlaf, schlafinkompatible Verhaltensweisen) => Konsequenzen (Müdigkeit, Stimmungsbeeinträchtigung, verminderte Leistungs-/Konzentrationsfähigkeit, verringerte Lebensqualität) => Teufelskreis
Diagnostisches Vorgehen bei Insomnien:
– frühere und jetzige körperl. Erkrankungen
– Medikamente, Alkohol, Nikotin, Drogen
– Labor
– EEG/EKG/ggf. CT des Schädels
– jetzige und frühere neurotische bzw. psychotische Erkrankungen
– Persönlichkeitsfaktoren
– Konflikte
– Interview-Leitfaden nach DSM-III-R/IV
– Schlaftagebuch
– Tagesbefindlichkeit
– Besondere Ereignisse/äußere Faktoren
– Fremdanamnese: Periodische Beinbewegungen/Atempausen/Schnarchen
– Vorgeschichte der Schlafstörungen
– Kindheit/Familienanamnese
– Verdacht auf Schlafapnoe
– Verdacht auf Restless Legs-Syndrom/nächtliche periodische Beinbewegungen
– Chronische therapierefraktäre Insomnie
Hypnotika
10% der Schlafgestörten nehmen Hypnotika, Benzos werden weniger verordnet. Am besten sind Benzos mit kurzer Halbwertszeit (weniger als 5 Std.), da der „Hang-over“ am Morgen ausbleibt.
Benzodiazepine:
Benzos verstärken den hemmenden Effekt der GABAergen Neurone. Schell wirkend und effektiv.
Probleme: Toleranz, Abhängigkeit, Rebound-Insomnie nach Absetzen bei längerer Einnahme, Kumulation bei langer Halbwertszeit, paradoxe Reaktionen, Muskelrelaxation (Sturzgefahr), Einfluss auf Gedächtnis, Verschlechterung von Apnoen
Benzodiazepinentzug: Angst, Unruhe, Schlafprobleme, Übelkeit, Tachykardie, Schwitzen, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Dysphorie bei 50%; seltener Krampfanfälle, Verwirrtheit, psychoseartige Zustände.
Non-Diazepine: Zopiclon, Zolpidem (Stilnox) = weniger Missbrauchsmeldungen, wirksam
Sedierende Antidepressiva (z.B. Mirtazapin, Amitryptilin) = wirksam, keine Abhängigkeit, aber NW
Neuroleptika (z.B. Truxal, Dipiperon) = weniger Effektivität
Baldrian
Melatonin, Tryptophan als natürliche Schlafmittel
Indikation: wenn alle nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien ausgeschöpft wurden und bei Depression, Angst, Psychosen, Demenzen
Die Kombinationsbehandlung ist abhängig von der Motivation des Pat. Es ist eher sinnvoll, die medikamentöse Behandlung durchgängig durchzuführen, bis zum Erreichen ausreichender Schlafgüte, dann unter gleichzeitiger Anwendung des Gelernten einen schrittweisen, langsamen Absetzversuch der Medis unternehmen.