Eckdaten:
Lebenszeitprävalenz: 5 %, mehr Frauen, Beginn Adoleszenz und Ende 30-jährig, oft in Hausarztpraxen, schwere, chronische Störung, späte Therapie (nach durchschn. 10 Jahren)
Diagnostik: Leitsymptom ist die fehlende Kontrolle über Sorgen, breite Auslöser, diffuse Bedrohung, auf zukünftige Ereignisse gerichtet, Ich-synton, Versuch einer mentalen Problemlösung, Emotionen und körperliche Symptome nicht aktiviert (reine Gedankenketten, keine Vorstellungsbilder), keine Habituierung.
ICD-10: 6 Monate Anspannung + Besorgnis (alltägliche Ereignisse), 4 vegetative Symptome, keine Panik-, phobische, Zwangs-, hypochondrische Störung.
Hohe Komorbidität (85%!!!), mit anderen Angststörungen (spezifische Phobie und Sozialphobie), sekundär Depression, somatoformen Störungen, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch.
Organische Ursachen, z.B. Schilddrüsenerkrankung oder Medikamente müssen ausgeschlossen werden.
Ätiologie:
Disponierende Faktoren:
Biologische => eher keine spezifische Erblichkeit, aber Angstsensitivität und (vererbte) Ängstlichkeit als Trait
Psychologische => Modelllernen, Erziehungsstil, instabile familiäre Bindungen, Traumatisierungen, Lerngeschichte
Auslösende Bedingungen:
Konditionieren, kritische Lebensereignisse, gesundheitliche Bedrohungen, Substanzen, Entlastungssituation nach Stress
Aufrechterhaltende Bedingungen:
Eigendynamik der Angst (erhöhte Selbstaufmerksamkeit, kognitive Verzerrungen, selektive Wahrnehmung, Erwartungsangst, verringerte Selbstwirksamkeitserwartung !); Angst vor der Angst, subtiles Vermeidungs-/Schonverhalten und Rückversicherungen, Rückzug, Substanzge-/missbrauch, Funktionalität.
Keine Habituation, da Pat. Von einer Sorge zur nächsten springt, Sorgen Gedankenketten sind und nicht emotional verarbeitet werden
Therapieverfahren:
Symptombezogen:
Psychoedukation und Sorgentagebuch,
Sorgenkonfrontation (bildhaft, konkret, so lange wie möglich aufrechterhalten und wiederholen, Verbindung mit emotionalen und körperlichen Symptomen der Angst herstellen, damit Habituation möglich wird);
Expo in sensu und in vivo;
Verhaltensexperimente zum Abbau von Vermeiden und Rückversicherung,
Kognitive Umstrukturierung, Realitätstestung (Vorhersage machen, hinterher: wie ist die Sache wirklich ausgegangen?);
angewandte Entspannung (Öst), v.a. bei starken körperlichen Symptomen Angstmanagement.
Meta-Sorgen-Therapie: Negative Bewertung von Sorgen hinterfragen („Sorge ist gleich Vorsorge“ statt „Sorgen schaden mir“), damit sie weniger Aufmerksamkeit bekommen
Allgemein: Problemlösen, Aktivitätsaufbau, Alternativverhalten etc.
Wirksamkeit: Langfristig besser als Medis, wenig Studien, Kogn. VT größte Erfolge, aber nicht so hoch wie bei Panik oder Depression
Zu beachten:
Sehr individuelles Erklärungsmodell wichtig; längere Therapie wie Therapie von Persönlichkeitsstörungen, keine hochfrequente Therapie, weniger Erfolge bei Komorbiditäten.
Die Sorgenkonfrontation mit anschließender kognitiver Umstrukturierung ist sehr wichtig, da reine Angstbewältigungsstrategien (kognitiv + mit Entspannungsmethoden gegen Angst ankämpfen) paradoxe Effekte nach sich ziehen kann (mehr Aufmerksamkeit auf Ängste,
Überzeugung „Angst ist gefährlich“). Vermeidung in der Sorgenkonfrontation möglich, mangelhaftes Vorstellungsvermögen.
Medikation: bei mangelnder Response, wenn sich Stressniveau nicht senken lässt: SNRI, evtl. ist auch SSRI wirksam; Benzos nur für Kriseninterventionen; Medis können Nachteile für die PT haben (Verringerung der Motivation, passive Rolle); bei Absetzen Rückfall