Spezifische (isolierte) Phobie

Spezifische (isolierte) Phobien

                                     Definition

Phobien sind äußerst intensive und persistente Furchtreaktionen, welche durch spezifische Situationen oder Objekte ausgelöst werden und von dem zwingenden Wunsch begleitet sind, diese Situationen oder Objekte zu vermeiden. Die Intensität der Furchtreaktion erscheint einem Außenstehenden der realen Gefahr dieser Situation unangemessen und bizarr. Gewöhnlich zeigt der Phobiker Einsicht in diese Irrationalität seiner Furchtreaktion, vermag sie aber nicht willentlich unter Kontrolle zu halten.

1. Diagnostische Kriterien nach ICD-10_________________________________________

  1. Entweder 1. oder 2.:
  1. deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation, außer Agoraphobie oder sozialer Phobie
  2. deutliche Vermeidung solcher Objekte und Situationen, außer Agoraphobie oder sozialer Phobie

Häufige phobische Objekte und Situationen sind Tiere, Vögel, Insekten, Höhen, Donner, Flüge, kleine geschlossene Räume, Anblick von Blut oder Verletzungen, Injektionen, Verzehr bestimmter Speisen, Urinieren oder Defäzieren auf öffentlichen Toiletten, Zahnarzt- und Krankenhausbesuche.

  1. Angstsymptome in den gefürchteten Situationen zu irgendeiner Zeit seit Auftreten der Störung sind wie in Kriterium B. von Agoraphobie F40.0 (mindestens 2 Angstsymptome, davon eins der vegetativen Symptome: Palpitation, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, fein- oder grobschlägiger Tremor, Mundtrockenheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen oder –missempfindungen, Nausea oder abdominelle Missempfindungen, Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Gefühl, Derealisation, Depersonalisation, Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“, Angst zu sterben, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle).
  1. Deutliche emotionale Belastung durch die Symptome oder das Vermeidungsverhalten; Einsicht, dass diese übertrieben oder unvernünftig sind.
  1. Die Symptome sind auf die gefürchtete Situation oder auf Gedanken an diese beschränkt.

Wenn gewünscht, können die spezifischen Phobien wie folgt unterteilt werden:

2. Differentialdiagnose_____________________________________________________

  • DD Soziale Phobie: kann auf der Basis des Inhalts der Furcht erfolgen
  • DD Zwangsstörung: kann auf der Basis des Vermeidungsverhaltens zum Zwangsinhalt (z.B. Furcht vor Kontamination) erfolgen
  • DD Hypochondrische Störung und Spezifische Phobie, anderer Typus (z. B. Furcht vor Krebs, Geschlechtskrankheiten und Vermeidung von Situationen, in denen man sich diese Krankheit zuziehen könnte): Personen mit einer Hypochondrie leben in einer ständigen Angst, die Krankheit zu haben, während Personen mit einer spezifischen Phobie fürchten sich eine Krankzeit zuzuziehen.

3. Komorbidität__________________________________________________________

Komorbidität von Spezifischer Phobie und: 
Sozialer Phobie44 %
Agoraphobie27 %
Panikstörung15 %
Generalisierte Angststörung16 %

4. Diagnostik_____________________________________________________________

5. Epidemiologie__________________________________________________________

Die Lebenszeitprävalenz für eine spezifische Phobie schwankt je nach Studie zwischen der niedrigsten Rate von 6 % in Neuseeland (Oakly-Brown et al., 1989) bis zu 15 % in den USA (Ergebnisse der Epidemiological Catchment Study ECA mit 20000 Befragten; Myers et. Al., 1984)

Prävalenzraten in Deutschland

Lebenszeitprävalenz8 %
Sechs-Monats-Prävalenz6 %
Geschlechterverhältnis (Frauen:Männer)2:1

6. Ätiologie/Störungsmodell________________________________________________

Phobien entstehen nicht durch aversive Lernerfahrungen sondern im Gegenteil dadurch, dass in der frühen Kindheit nicht ausreichend gelernt wird, die existierenden, angeborenen Furchtdispositionen, z.B. vor Höhe, durch „positive“ Lernerfahrungen zu bewältigen.

Phobien sind das Ergebnis einer Übererregbarkeit dieses Furchtsystems

7. Therapie______________________________________________________________

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der kognitiven Vorbereitung

– Behandlung ist Teamarbeit

– Jede einzelne Übung wird zuerst angekündigt, bevor die Übung beginnt

– Jede Übung wird zuerst vom Therapeuten vorgemacht

– Die Übung beginnt erst, wenn der Patient zugestimmt hat, die Übung

  durchzuführen

Emotionale Vorstellungstexte müssen so konstruiert sein, dass prozedurale Repräsentationen aktiviert werden, d.h. somatische und vegetative Veränderungen ausgelöst werden können, am besten mit persönlich erlebten Szenen keine Anwendung von Entspannungsverfahren, denn die Konfrontation in sensu ist umso erfolgreicher, je stärker  das autonome Erregungsniveau während der Imagination furchtauslösender Szenen ist.

8. Effektivität und Prognose___________________________________________________

Insgesamt lassen sich bei verschiedenen Spezifischen Phobien mit

     verhaltenstherapeutischen Reizkonfrontationsverfahren in 77 bis 94 % der Fälle klinisch

     bedeutsame Verbesserungen erzielen (Bestätigung durch Meta-Analyse von Ruhmland und

     Margraf, 2001)

Art der PhobieBehandlungsmethodeKlinisch gebessert (%)Behandlungsdauer (Std.)
SchlangenphobieTeilnehmendes Modellernen87 %1,9 Std.
SpinnenphobieExposition in vivo89 %2,1 Std.
Blut-, Verletzungs- SpritzenphobieExposition in vivo + Angewandte Anspannung80 %2,0 Std.
KlaustrophobieExposition in vivo80 %3,0 Std.
HöhenphobieGeführtes Erfolgslernen*77 %3,5 Std.

* Therapeut als Modell und Stütze, der sich in der Exposition langsam distanziert